21.05.2021
Kleinbeigeben?

Der Albert-Einstein-Anstecker. Ein Beitrag von Diana Enders.

Als ich ungefähr 13 Jahre alt war, waren kleine, zwei Zentimeter große Anstecker in Mode, die man an Kleidung oder an Rucksäcken trug. Heute würde man Button sagen. Besonders begehrt waren Anstecker mit einem Bild von Michael Jackson oder dem Schriftzug der Band ACDC. Es gab aber auch Anstecker mit dem Peace-Zeichen oder mit einer weißen Taube auf hellblauen Grund. Ich selbst besaß einen Anstecker mit dem Kopf Albert Einsteins, wie er seine Zunge herausstreckt. Das war mein Stolz.

Als ich mit einer Freundin im Neubaugebiet Friedrichstadt herumstromerte und Kontakt zur dortigen Clique knüpfte, da fragte mich der „Anführer“, ob er sich meinen Anstecker mal ansehen dürfe. Ich gab ihm arglos den Einstein.                Tja, er wollte ihn mir dann nicht zurückgeben! Ihn einfach behalten. Ich war überrumpelt, wütend und enttäuscht. Normalerweise wären wir zwei Mädchen zornig und hilflos von dannen gezogen. Die fremde Clique war groß und ihr „Anführer“ schien auch schon ziemlich erwachsen zu sein. Er hatte einen Oberlippenbart. Aber ich wollte meinen Einstein-Anstecker nicht einfach aufgeben. Ich fand die ganze Sache auch nicht in Ordnung! Dann sehe ich mich im Treppenhaus eines Neubaublocks am Geländer stehen und dem deutlich älteren Jungen eine Moralpredigt halten. Dass man nicht einfach jemandem etwas wegnehmen könne, nur weil man stärker sei. Das mache man einfach nicht, jemanden so zu behandeln! Ich sagte, dass er mir meinen Anstecker zurückgeben müsse! Dann war Stille. Alle hielten den Atem an. Schließlich warf der „Anführer“ meinen Einstein mit einem verächtlichen Geräusch zwischen uns auf den Boden. Zack, hatte ich ihn aufgehoben und rannte davon.

Unfassbar, ich hatte gewonnen mit Worten.

Diana Enders, Evangelische Erwachsenenbildung