13.10.2021
Harte Schale, verlockender Kern – von Quitten und Bibelversen

Ein Beitrag von Ulrike Garve

In meiner Küche duftet es fruchtig frisch und leicht süßlich. Auf dem Fußboden stehen Eimer und Körbe dicht an dicht, gefüllt von faustgroßen, gelben Früchten: die Quitten sind reif. Ich habe alle Hände voll zu tun, das Obst zu verarbeiten und stelle immer wieder fest: Das ist Schwerstarbeit. Quitten sind unglaublich hart, haben eine feste, pelzige Schale und auch das Fruchtfleisch ist nicht weich. Roh schmecken sie auch nicht wirklich. Um die Quitten klein zu kriegen, habe ich endlich Mittel gefunden - ein stabiles Brett und das Hackbeil. Aber es bleibt doch eine ganz schön anstrengende Arbeit. Wenn dann endlich der Saft, oder das Mus auf dem Herd blubbert – dann freue ich mich an den dem Ergebnis der Arbeit. Ich rühre beglückt den goldgelben Saft und atme die frische Süße des Quittenmuses. Wie mit Quitten ist es manchmal mit der Bibel, denke ich. Sich damit beschäftigen, ist Arbeit. Geht schlecht so nebenbei oder zum Einschlafen. Statt Hackbeil und Brett benötige ich einen wachen Geist, Neugier und etwas Zeit. Beharrlich bleibe ich dran, lese Wort für Wort und Vers für Vers. Nicht nur oberflächlich, sondern versuche zu ergründen und zu verstehen. Und so wie mit genügend Geduld aus den Quitten goldgelber Saft kocht, so gewinne ich aus der Bibel Worte für mich, goldglänzend. Sie tragen mich durch den Tag. Meiner Meinung nach lohnt sich die Arbeit – mit Quitten und mit der Bibel.

Ulrike Garve ist Pfarrerin im Kirchenkreis Niederlausitz


Mehr Fotos

Ulrike Garve 05  Kirchenkreis Niederlausitz